"A popular variant spelling of lurk more. It is an expression used when someone demonstrates their ignorance of the customs and social expectations of an online community, or otherwise makes an idiot of themselves online. Its use indicates that the person so instructed should gain familiarity with the community before posting further."1
1. User: zuffix (2007). „lurk moar“. Online abrufbar unter: https://www.urbandictionary.com/define.php?term=lurk%20moar (abgerufen am 16.05.2022)
"Lack of fluency is dismissed with the phrase 'LURK MOAR', asking the poster to spend more time learning about the culture of the board."* 2
* „the board“ = 4chan
2. Bernstein, Michael S./Monroy-Hernández, Andrés/Harry, Drew/André, Paul/Panovich,Katrina und Vargas, Greg (2011): “4chan and /b/: An Analysis of Anonymity and Ephemerality in a Large Online Community”. Massachusetts Institute of Technology Cambridge und University of Southampton, United Kingdom. S. 7. Online abrufbar unter http://people.csail.mit.edu/msbernst/papers/4chan-icwsm2011.pdf (abgerufen am 16.05.2022).
Mein Proposal Trolle aus dem Internet und die darauf folgende Thesis Lurk Moar:
Supervisor 1
Interaction Design
Supervisor 2
Prof. Michael Gais
Typography und Layout
Technische Hochschule Köln
Köln International School of Design, Integrated Design
Fakultät für Kulturwissenschaften
Kontext zum Thema Online-Trolle & Herleitung der
Thesis.
Das Trolling stellt eine spezielle Form der Kommunikation und Interaktion dar, die (zwar nicht ausschließlich, aber hauptsächlich) online stattfindet und durch verschiedene Faktoren begünstigt wird. Trolle begleiten die Nutzer*innen des Internets schon seit den frühen 1990er Jahren, wo sie sich ihren Weg aus den Usenet Newsgroups in das World Wide Web gebahnt haben. Dort waren sie unter Anderem auf der Online-Plattform „4chan“ aktiv, wo viele der Trolls organisiert und darauf folgend dokumentiert wurden.
Trolle stellen ein Internet-Phänomen dar, über das noch immer regelmäßig in der Presse berichtet wird. Allerdings scheint dabei nicht ganz klar zu sein, wer oder was diese Trolle eigentlich sind. Die Definitionen zum „Online-Troll“ variieren in den Artikeln und werden immer entsprechend der Stimmung und des Inhaltes der Artikel angepasst, wobei die Berichterstattung in den meisten Fällen negativ ausfällt.
Die Online-Troll Subkultur zu beschreiben und Motivationen der Trolle zu benennen, stellte sich auch in meinem Proposal "Trolle aus dem Internet" als keine leichte Aufgabe heraus. Denn die Trolle selbst haben keine einheitlichen Ziele, Moralvorstellungen, Gründe zum Trollen und auch keine übereinstimmende Definition der Bezeichnung „Troll“. So ergibt sich eine vielschichtige und teilweise unklare Bedeutung des Trollings. Auch das Abgrenzen des Trolling von ähnlichen Formen der Online-Belästigung stellte sich als nicht einfach heraus.
Doch lässt sich eine umfassende Gemeinsamkeit feststellen: Hauptsächlich geht es den Trollen um „lulz“. Lulz lassen sich am ehesten mit Schadenfreude vergleichen. Für viele Trolle geht es beim Trolling also darum, etwas zum Lachen zu haben aber auch der Troll-Community etwas zum Lachen zu geben, denn an Lulz können sich Zuschauer*innen ebenso erfreuen, wie die aktiven Trolle selbst.
Im Proposal hat sich herausgestellt, dass der Online-Disinhibition Effekt, welcher von dem Professor und Psychologen John Suler in seinem Buch „The Psychology of Cyberspace“ beschrieben wurde, als ein wichtiger Teil zu verstehen ist, der zur Erklärung der Ursachen des Online-Trollings dient.
Der disinhibition Effekt beschreibt veränderte Verhaltensweisen von Nutzer*innen in der Online-Kommunikation bzw. Interaktion im Vergleich zur face-to-face Kommunikation. Neben dem Nichtvorhandensein einer face-to-face Kommunikation wird der Effekt unter anderem durch Anonymität, Asynchronität und fehlendem Status von Personen verursacht. Aber auch die Persönlichkeit eines Menschen und der Kontext der Situation beeinflussen die Ausprägungen des Effekts. So kann sich der Effekt einerseits positiv auswirken, in dem Nutzer*innen persönliche Dinge über sich erzählen, Gefühle austauschen oder gegenüber anderen Nutzer*innen mit mehr Empathie reagieren. Andererseits kann er sich im Negativen äußern, in dem Nutzer*innen aggressiv oder sarkastisch reagieren und Hass, unangebrachte Kritik oder Drohungen äußern. Jede*r Nutzer*in ist von diesem Effekt unterschiedlich stark und auf verschiedene Weisen betroffen.
Eine weiterer Theorie, die ebenfalls zur Erklärung des Verhaltens der Trolle beiträgt und in der Ausarbeitung mit einbezogen wurde, bezieht sich auf ein 2004 veröffentlichtes Webcomic namens „John Gabriels Greater Internet Fuckwad Theory“ (GIFT). Diese wurde von Mike Krahulik und Jerry Holkin, auf der Webseite Penny Arcade publiziert. Sie sagen, dass selbst unscheinbare oder ausgeglichene Personen psychopathische oder unsoziale Verhaltenszüge zeigen können, wenn sie anonym mit einem Publikum interagieren.
Internet- und Medienkompetenz sind der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, sich vor Online-Trollen zu schützen. Es ist aber ebenso wichtig, seine eigenen (Online-)Verhaltensweisen besser kennenzulernen. Daher ist es unter Anderem essentiell, ein Bewusstsein und ein grundlegendes Verständnis von eigenen (Online-)Verhaltensweisen zu schaffen. Ohne damit sagen zu wollen, dass jeder oder jede Internetnutzer*in durch die Auswirkungen des Disinibition Effekts bzw. durch das Kommunizieren online gleich zu einem Online-Troll wird, sollten sie sich doch über ihr Online-Verhalten bewusst werden. Denn auch unbeabsichtigte provokative Aussagen können Online schnell missverstanden werden.
Schon beim bearbeiten des Proposals habe ich mich gefragt, ob sich der Online-Disinibition Effekt auch ins Physische übertragen lassen könnte und ob dadurch ähnliche Auswirkungen entstehen würden. Die zentrale Frage für meine Thesis lautet daher: Was passiert, wenn der Online-Disinhibition Effekt ins Physische übertragen wird, so dass Menschen im physischen Raum miteinander anonym kommunizieren / interagieren können? Um auch „John Gabriels Greater Internet Fuckwad Theory„ mit einzubringen und den Effekt zu verstärken, wollte ich zusätzlich ein direktes Publikum mit einbringen. So sollen die Personen zwar einerseits anonym, aber trotzdem nicht allzu distanziert von ihrem Publikum / Kommunikationspartner*innen sein. Die Besucher*innen oder Nutzer*innen sollen die „Auswirkungen“ ihres eigenen Handelns direkt sehen können.
Ein ebenfalls wichtiger Aspekt, der mit in die praktischen Ausarbeitung eingeflossen ist, ist die Tatsache, dass viele Trolle die ihnen gegebenen Systeme auf eine Weise ausnutzen, für die sie nicht gedacht sind oder auch unbedachte Lücken nutzen, die ihnen das jeweilige System gerade bietet. Vergleichbar oder möglicherweise gleichzusetzen ist das mit dem Hacking.
Bezüglich dieses Vergleiches hat Gabriella Coleman eine Arbeit namens „Phreaks, Hackers, and Trolls“ verfasst. In dieser stellt Coleman fest, dass es viele Trolle gibt, die das Hacking als eine Art Waffe einsetzen, doch lässt sich Ähnliches über Hacker selber sagen (zumindest wenn es um das klischeebehaftete allgemeine Bild der Hacker geht). Des Weiteren lässt sich ebenso behaupten, dass sowohl Trolle als auch Hacker oftmals aus Humoristischen- oder Interessensgründen handeln, statt aus schadhafter oder krimineller Intention.
Das Booklet Lurk Moar
DE - Das Booklet "Lurk Moar" ist eine Zusammenstellung von mehr als 200 Fotos, die über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten (Mai & Juni 2022) gesammelt wurden. Allerdings wurde keines der hier abgebildeten Fotos vom Autor selbst aufgenommen. Die gezeigten Fotos stammen von Besucher*innen, die die aus- und zum Test bereitgestellten Smartphones in verschiedenen Elektronikmärkten testeten und die entstandenen Bilder unbedacht auf den Smartphones zurückließen. Oder von Besucher*innen, die diese Fotos bewusst und absichtlich aufgenommen haben und auf den ausgestellten Smartphones hinterließen.
Somit stellt jedes Smartphone eine eigene lokale und nicht vernetzte Social-Media ähnliche Plattform dar, auf der anonym Bilder oder Videos für all diejenigen geteilt werden, die sich ebenfalls die Galerie der Smartphones ansehen. Durch das entnehmen dieser Fotos von den Ausstellungssmartphones und das Einfügen in dieses Booklet, wird eine erweiterte Plattform geschaffen. Neben den Fragen, die sich bereits beim Betrachten der Fotos im Elektronikmarkt stellen - wie z. B. „Wer ist diese Person?“, „Warum hat er*sie das Foto aufgenommen?“, „Warum haben die Personen das Bedürfnis, sich selbst auf einem ausgestellten Smartphone zu fotografieren?“- werden durch das Entnehmen der Fotos weitere Fragen lauter wie „Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?“, „Wie haben sie ihren Weg in das Booklet gefunden?“, „Wem gehören die Fotos?“, „Woher stammt das Bedürfnis, sich selbst, seine Umgebung oder Erlebnisse zu fotografieren, dokumentieren und präsentieren zu müssen?“
EN - The booklet "Lurk Moar" is a compilation of over 200 photos collected over a period of about 2 months (May & June 2022). However, none of the photos shown here were taken by the author himself. Instead, the photos shown were taken by costumers of electronic stores who accidentally took pictures with the exhibited phones there and carelessly left the files behind. As well as by costumers who deliberately and intentionally took pictures and left them on the exhibited smartphones.
In a way, each smartphone represents its own local and limited social media-like platform on which images or videos are anonymously shared to all who view the galleries of these smartphones. By taking these photos from the exhibition smartphones and inserting them into this booklet, an extended platform is created. In addition to the questions that already arise when looking at the photos in the electronics store - such as “Who is this person?”, “Why did they take the photo?”, “Why do people feel the need to take a photo of themselves on an exhibited smartphone?” - other questions become louder through the extraction of the photos, such as “What about data protection?”, “How did they find their way into the booklet?”, “Who do these photos belong to?”, “Where does the need to photograph, document and present oneself, one's surroundings or experiences come from?”.
Die Installation Lurk Moar
DE - Die interaktive Installation »Lurk Moar« lädt dazu ein, sich mit den eigenen digitalen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Sie befasst sich mit der Frage, wie Menschen mit Anonymität und fehlender face-to-face Kommunikation umgehen. Das dazugehörige Booklet soll Betrachter*innen zudem dazu animieren, sein*ihr eigenes Verhalten im Umgang mit seinen*ihren Daten und dem Digitalen im Allgemeinen zu hinterfragen. Der Online-Disinhibition Effekt beschreibt veränderte Verhaltensweisen von Nutzer*innen in der Online-Kommunikation gegenüber der face-to-face Kommunikation. Dieser Effekt ist somit als ein Teil der Ursache zu verstehen, der zum Online-Trolling führen kann. Häufig sind es Online-Trolle, die – für im Internet stattfindende Auseinandersetzungen und ähnliches Missverhalten – verantwortlich gemacht werden. Allerdings ist oft nicht klar, wer oder was diese Trolle eigentlich sind.
Sie als Internetnutzer*in können u. U. von anderen als Online-Troll missverstanden werden oder – durch den Online-Disinhibition Effekt beeinflusst – Troll ähnliche Verhaltenszüge zeigen.
EN - The interactive installation „Lurk Moar“ invites people to take a closer look at their own digital behavior. It explores the question of how people deal with anonymity and the absence of face-to-face communication. The accompanying booklet is intended to encourage viewers to question their own behavior of dealing with their data and the digital world in general. The online-disinhibition effect describes the changed behavior of users in online communication compared to face-to-face communication. This effect is therefore understood as a part of the cause that can lead to online trolling. It is often online trolls who are blamed for escalated arguments and similar misbehavior that take place online. However, it is often unclear who or what these trolls actually are. As an internet user, you may easily be misunderstood by others and in consequence seen as an online troll or - influenced by the online disinhibition effect - show troll-like behavior yourself.
Das Hauptaugenmerk der Ausstellung lag auf der „Lurk Moar“ Installation, die auf dem von mir verfassten Proposal „Trolle aus dem Internet“ aufbaut und das Booklet "Lurk Moar". Die interaktive Installation stellte die Ausstellungssituation von Smartphones in Elektromärkten möglichst realistisch nach, mit öffentlich einsehbaren und frei zugänglichen Smartphones, die an Diebstahlsicherungen befestigt waren. Alle Fotos die auf den Geräten aufgenommen wurden, wurden automatisch für 10 Minuten auf einer Webseite dargestellt, die online abgerufen werden konnte und zudem während der Abschlussausstellung (den KISD Parcours) an der Köln International School of Design, an einem prominenteren Ort ausgestellt wurde. So konnten möglichst viele Besucher*innen diese Bilder sehen. Zudem wurde den Besucher*innen der "Lurk Moar" ausstellung auf diese Weise ein erweitertes Publikum geschaffen, welches über den lokal begrenzten physischen Raum hinaus ging aber nicht so distanziert ist, wie es die allgemeine Zuschauerschaft des Internets gewesen wäre.
Die Besucher*innen der „Lurk Moar“ Ausstellung sollten so zum einen zu Troll ähnlichen Verhaltensweisen animiert werden, zum anderen sollte ein physischer Raum geschaffen werden, in dem Personen vom Online-Disinhibition Effekt beeinflusst werden (ähnlich wie es in Elektronikmärkten der Fall ist) und anonym Fotos von sich oder anderen mit Fremden teilen.
Webseite zur Installation Lurk Moar
Konfrontation
DE - Zum Abschluss des Sammelns von Fotos auf Ausstellungssmartphones in Elektromärkten für das „Lurk Moar“ Booklet und um sowohl die Personen auf den Fotos selber zu konfrontieren, als auch alle weiteren Personen, druckte ich einige der gesammelten Fotos auf DIN A3 Papier und hing diese in unmittelbarer Nähe von Elektronikmärkten auf. Die Personen auf den Fotos wurden zuvor weitgehend unkenntlich gemacht. Zum Elektronikmarkt passend hing ich genau die Fotos auf, die dort von den Besucher*innen aufgenommen wurden.
EN - To finish collecting photos on exhibition smartphones in electronic stores for the "Lurk Moar" booklet and to confront both the persons on the photos themselves and all other visitors, I printed some of the collected photos on A3 paper and hung them up in the immediate vicinity of electronic stores. The persons on the photos were made largely unrecognizable before. Matching the electronics market, I hung up exactly the photos that were taken there by the visitors.
Webseite Sketch Smthn
DE - Ein weiteres Ergebnis, welches als eigenständige Installation funktioniert, nennt sich Sketch-Smthn. Nutzer*innen der Webseite können (und konnten an einem im Ausstellungsraum aufgestellten Rechner) über den Browser kleine Zeichnungen erstellen und veröffentlichen. Zum Hochladen einer Zeichnung ist weder eine Registrierung nötig, noch die angabe einer Email o. ä. Jede*r Nutzer*in ist volkommen anonym. Die Zeichnungen wurden ebenfalls während den KISD Parcours öffentlich und per Live-Feed präsentiert. Auch durch diese Webseite sollten Besucher*innen zu Troll ähnlichen Verhaltenszügen animiert werden.
EN - Another result, which works as a stand-alone installation, is called Sketch-Smthn. Users of the website can (and were able to) create and publish small drawings via the browser on a computer set up in the exhibition space. To upload a drawing, neither a registration nor the specification of an email is necessary. Each user is completely anonymous. The drawings were also presented publicly and via live feed during KISD Parcours. The website was also designed to motivate visitors to engage in troll-like behavior.